Allgemeine Zeitung vom 19.07.2003
Beinahe war's
eine Katastrophe |
mp.
BAD SOBERNHEIM - Drei Minuten nach 5 Uhr in der Frühe riss ein dumpfer Schlag
Nachbarn der Bundesstraße 41 aus dem Schlaf. Direkt danach war kreischendes Geräusch
zu vernehmen und ein weiterer Schlag folgte. "Zuerst dachte ich, da ist ein
Flugzeug abgestürzt", sagte sichtlich geschockt später ein Anwohner.
Weitere Bewohner stürzten schlaftrunken an die Fenster, doch sahen sie zuerst
nur eine Staubwolke.
Als sich langsam der Staub lichtete, wurde das furchtbare Geschehen
deutlich. Ein Personenwagen und ein Lastwagen waren in Höhe des Wohngebiets
"Vor der Haardt" auf der B 41 zusammen gekracht. Der Lkw rasierte über
fünfzig Meter die Leitplanke weg und stürzte in die Böschung, blieb am Rande
eines Gartens auf der Seite liegen, etwa vierzig Meter hinter den Häusern.
Traurige Bilanz, der junge Pkw-Fahrer war sofort tot, der Lkw-Fahrer kam schwer
verletzt ins Krankenhaus.
Das Entsetzen war den Anliegern noch Stunden später anzusehen, kreidebleich
standen einige nach dem schweren Unfall an der Bundesstraße. Und dann bemerkt
einer: "Mein Gott haben wir Glück gehabt!" Alle wissen, sie sind
haarscharf an einer Katastrophe vorbei geschlittert. Hätte der Brummi die
Leitplanke fünfzig Meter früher durchbrochen, wäre er mit seiner vierzig
Tonnen schweren Holzlast quer durch die Häuser "Vor der Haardt"
gerauscht. Die Wohnhäuser dort stehen nämlich noch näher an der B 41, als die
auf dem Bild hinter den Büschen erkennbaren.
"Zum Glück hatte der nur Holz geladen. Nicht auszudenken, wenn es ein
Tankwagen gewesen wäre", sagt ein anderer. Alle schauen bedrückt:
"Dann wären wir wohl gegrillt worden", sagt einer lakonisch. Es lacht
aber keiner.
"Jetzt ist es fast zur Katastrophe gekommen, sagt Ernst Schöffel, der
"Vor der Haardt" wohnt und sich erinnert an seinen Kampf Mitte der
neunziger Jahre. Für eine Schutzwand, für eine Lärmschutzwand kämpfte er mit
den Nachbarn damals. Der Bund als Straßenträger stahl sich seinerzeit mit
einer Lärmmessung aus seiner Verantwortung. Bei 60 dz (Dezibel) nachts
gemessen, wäre eine Lärmschutzwand notwendig geworden. Die Experten maßen 59
dz. Ein lächerliches Dezibel zu wenig.
Die spätere Empfehlung, eine Aufschüttung, einen Damm zu errichten,
scheiterte, denn ein Anlieger wollte dafür sein Grundstück nicht hergeben.
Auch was die Geschwindigkeit auf der B 41 in Nachbarschaft zum Wohngebiet
betrifft, sind die Anwohner heute noch sauer. Bis Mitte der 90er Jahre durfte
dort maximal Tempo 80 gefahren werden. Das wurde aufgehoben, denn ein Tempolimit
mindere nicht den Lärm, hieß es. Außerdem sei das nicht mit der überregionalen
Funktion einer Bundesstraße vereinbar.
Anwohner finden derartige Behauptungen von Behörden unglaublich. Eine
Geschwindigkeitsbegrenzung bringe sehr wohl eine Lärmminderung, außerdem würde
damit auch die Unfallgefahr verringert, die jetzt zu einem tödlichen Ausgang führte.
Text zum Bild:
Unweit der Wohnhäuser landete der schwere Lastwagen mit seiner Fracht
in der Böschung. Es hätte noch viel Schlimmer ausgehen können,
befürchten die Anwohner. Bild: mp