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Die jüdische Gemeinde Monzingen - eine Spurensuche von Gudrun SerkeDie ersten Juden in Monzingen

In welcher Zeit und aus welchem Grund die ersten Juden nach Monzingen kamen, ist nicht mehr nach-vollziehbar. Den ältesten Hinweis auf einen jüdischen Bewohner fand ich auf einer Einwohnerliste von Monzingen aus dem Jahre 16761. Sie enthält die Namen von 48 Monzingern, darunter auch „Nathan, der Jude“. Während die übrigen Personen mit Vor- und Zunamen aufgeführt sind, hat Nathan noch keinen Familiennamen, was zu dieser Zeit bei Juden allgemein auch noch nicht üblich war. Vermutlich hat Nathan nicht allein, sondern mit Familie in Monzingen gelebt.

Im 18. Jahrhundert lebte dann ein Jude namens Veis mit Familie in der Stadt. Sein Sohn Isaak bar Veis (bedeutet: Isaak, Sohn des Veis) wurde 1749 in Monzingen geboren und starb 1827 in Becherbach bei Kirn, wo er in 2. Ehe die 17-jährige Sophie David Moses, Tochter von David bar Moses und Rachel geheiratet hatte. Die beiden sind die Vorfahren der Familien Moritz. Auch Isaaks Sohn aus erster Ehe wurde in Monzingen geboren. Vom Alter her könnte Vater Veis einer der beiden Juden gewesen sein, die als Feis Jacques bzw. als Feis Joel in den Sterbeeinträgen von Jonas Emanuel und Jacob Ullmann als Väter genannt sind, eine eindeutige Zuordnung war aber bisher nicht möglich. Urkundlich bewiesen ist jedoch, dass die Monzinger Joel Feis (* 1741), Moses Feis (* 1744) und Jacob Feis (* 1750) Brüder waren (siehe Seite 4: Sterbeeintrag Nr. 55/1807), und da in Jacobs Sterbeakt 1823 die Eltern genannt sind, müssen alle drei auch Söhne von Joel Feis und Beßel Ansches gewesen sein. Sie sind die Vorfahren der Monzinger Familien Ullmann.

Auf einer Aufzeichnung über die Einnahmen der Stadt Monzingen vom 30. Dezember 1794 (Abb. links) ist vermerkt, dass die beiden Juden Joel und Jacob Veis je 3 Gulden jährlich zu zahlen haben und von Juden keine Begräbniskosten eingegangen sind, da keiner verstorben war.
Auf einer weiteren Liste von 1788 (Abb. unten) sind die Güter von 23 Bürgern des Ortes nebst den zu zahlenden Beträgen aufgelistet. Unter ihnen sind auch „Schutzjude Veis Michel“ und „Schutzjude Veis Jakob“ zu finden.4


 

 

 

 

 

„Schutzjude“ bedeutete, dass diese Personen gegen Leistung besonderer Abgaben dem Schutz der damals städtischen Obrigkeit unterstellt waren. Mit Genehmigung des Stadtrates durften sie sich niederlassen und Handel treiben. Ihnen wurde ein Geleitbrief erstellt, und dafür zahlten sie das entsprechende Schutzgeld.

In Frankreich war nach der Revolution die Gleichberechtigung der Juden bereits schrittweise verwirklicht worden, und durch Beschluss der Französischen Nationalversammlung von 1791 waren sie ihren andersgläubigen Mitbürgern gleichgestellt. Sie hatten ihre Selbstverwaltung aufgegeben und auch alle Pflichten der anderen Franzosen auf sich genommen. Da das linksrheinische Gebiet durch den Frieden von Lunéville 1801 endgültig an Frankreich abgetreten wurde, wurde nun auch das gesamte Nahegebiet und somit Monzingen französisch. Der Code Civil (auch Code Napoléon genannt) wurde eingeführt. Alle bisherigen Privilegien wurden aufgehoben und eine staatsbürgerliche Gleichheit hergestellt. Das brachte einschneidende Veränderungen für die gesamte Bevölkerung in diesem Gebiet. Monzingen verlor z.B. auch die Stadtrechte. Die kirchlichen Güter wurden verstaatlicht, weltliche Gutsherren enteignet, Knechte und Mägde wurden freie Bürger, alle Bürger waren nun gleichgestellt. Für die Juden brachten die Gesetze der neuen Herrschaft auf der einen Seite mehr Freiheit: Sie durften nun alle Berufe ausführen, sofern sie denn wollten, brauchten kein Schutzgeld mehr zu zahlen und konnten sich beliebig niederlassen - auf der anderen Seite aber auch neue Vorschriften: Sie mussten sich einen ständigen Familiennamen zulegen. Auch Vornamen wie Veilchen, Knetel, Beßel u. ä. waren von amtlicher Seite aus nicht mehr zugelassen. Bisher hatten sie nur Stammesnamen oder zugeschriebene Namen verwendet, sie fügten einfach an den Vornamen des Kindes den Namen des Vaters an oder stellten ihn voran, z.B. Isaak bar Veis, Feiß Joel oder Mariane Joelin (weiblicher Anhang an Joel). Mit Verfügung Napoleons vom 20. Juli 1808 mussten nun alle Juden im französischen Staatsgebiet sich registrieren lassen und innerhalb von 3 Monaten einen Familiennamen annehmen. Die Monzinger Nachkommen des Feis legten sich den Nachnamen Ulmann/Ullmann zu, bei den standesamtlichen Einträgen ist nun dieser Name zu finden. - Beim Sterbeeintrag 1823 wird Jacob/Jacques Feis als „Jacob Ullmann, Sohn von Feihs Joel“ genannt.5

Sterbeeintrag Nr. 55/1807 der Mairie Monzingen
(Übersetzung aus dem Französischen): 22. Tag des Monats April 1807, Sterbeakt von Moses Feis, Viehhändler, nicht verheiratet, geboren am 16. Januar 1744 in Monzingen, wohnhaft zu Monzingen, gestorben am 21. April 1807, um 6 Uhr abends. Der Verstorbene hinterlässt weder Vater noch Mutter, nur die beiden Brüder Joel und Jacob Feihs, wohnhaft zu Monzingen. Auf die Erklärung hin, die uns gemacht wurde von Jacob Feihs, Viehhändler, 57 Jahre alt, wohnhaft in Monzingen und von Jacob Baer, Händler, 43 Jahre alt, wohnhaft in Monzingen, der erste Bruder und der zweite Freund des Verstorbenen, wurde der gegenwärtige Akt von uns, dem Zivilstaat, aufgesetzt, unterschrieben von den Deklaranten, nach der Verlesung und Übersetzung in die deutsche Sprache. Unterschriften: E. Groos, Bürgermeister, Jacob Feiß, Jacob Baer.

Sterbeeintrag Nr. 59/1823:
Im Jahr eintausend achthundert drey und zwanzig den neunten des Monats August um 9 Uhr vormittags erschien vor mir, Karl Wülfing Bürgermeister Beamter des Civilstandes der Gemeinde Monzingen Kreises Creuznach Regierungsbezirk Koblenz, Anschel Fried alt fünf und vierzig Fuhr Handelsmann wohnhaft zu Monzingen nicht verwandt mit dem Verstorbenen und Marx Bär alt drei und zwanzig Jahr, Fleischer wohnhaft zu Monzingen nicht verwandt mit dem Verstorbenen und erklärten mir daß Jacob Ulmann alt neun und siebzig Jahr, ohne Gewerbe, geboren und wohnhaft zu Monzingen, Sohn von Feis Joel lebend Handelsmann und Beßel Ansches ohne Gewerbe, beide verstorben zu Monzingen, am achten des Monats August laufenden Jahres um acht Uhr abends zu Monzingen in seiner Wohnung verstorben seye; und haben die Erklärenden nach geschehener Verlesung gegenwärtige Urkunde mit mir unterzeichnet.
     Unterschriften:  Anschel Fried, Marx Bär,         Der Bürgermeister   Wülfing.


Die alten und neuen Namen wurden noch etliche Jahre parallel verwendet. So findet man bei den einzelnen Geburtseinträgen der Kinder häufig unterschiedliche Angaben. Nachträgliche Ratifizierungen des Namens der Mutter waren keine Seltenheit. Erst in der preußischen Zeit, nach 1815, wurden überwiegend die neuen amtlichen Namen verwendet mit Ausnahme bei den Geburten der Kinder von Ferdinand Ullmann und Eva Roos. Bei den Geburtseinträgen ihrer Söhne Bernhard (1816) und Michael (1820) wurde als Mutter Caroline Löser eingetragen. Bei ihrer Hochzeit 1813 nannte diese sich aber schon Eva Roos. Da sie die Tochter von „Louis Roos, bisher Bendict Loeser“ war6, ist bewiesen, dass es sich um dieselbe Person handelte. Im Allgemeinen nahmen es die Monzinger, sowohl Juden wie auch Christen, nicht so genau mit ihren offiziellen Vornamen. Nicht nur die üblichen Kurzformen wie Fritz statt Friedrich oder Lina statt Caroline waren gang und gäbe, sondern häufig findet man völlig verschiedene Namen wie Caroline genannt Babette, Philipp genannt Heinrich, Christian genannt Carl, Rosina genannt Amalie. Ist dann nur einer der Namen eingetragen und auch nicht immer der gleiche, wird eine Familienforschung nicht gerade erleichtert.